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Das Piccolo Castello in Nottiano
Nottiano ist ein mittelalterliches Dörfchen am Fuße des Monte Subasio in der Nähe der umbrischen Stadt Assisi bei Perugia. Es wäre vermutlich nach dem schweren Erdbeben im Jahr 1997, das die meisten Häuser in Ruinen verwandelte, völlig in Vergessenheit geraten, wenn nicht die Geschichte des Heiligen Franziskus ein Kapitel zwischen den alten Gemäuern geschrieben hätte. Franziskus, der in Assisi einen ungewöhnlichen Weg radikaler Hingabe an Christus begonnen hatte, besuchte die Menschen, die hier lebten. Er war befreundet mit dem Grafen, der über diese Gegend wachte und hielt bei ihm des öfteren Einkehr. Ein junger Bauernsohn des Dorfes aus, Giovanni, verehrte den Mann aus Assisi mit solcher Hingabe, dass er seine Familie verließ, sich der Genossenschaft anschloss und – zum Mißfallen seiner Mutter – einen Ochsen vom Feld Franziskus als Geschenk mitbrachte. Den jungen Giovanni nahm Franziskus gerne in seine Gemeinschaft auf, den Ochsen brachte er der Familie zurück.
Bis auf die alte Kappelle und ein Fest, das jedes Jahr zum Gedenken an den jungen Mann gefeiert wird, erinnert nichts mehr an die Geschichte. Doch hat die Atmosphäre des Heilgen den Ort nie ganz verlassen. Einsiedler lebten hier in Stille und standen mit Rat den Menschen aus der Umgebung zu Seite. Pilgergruppen aus Deutschland und Österreich besuchten Nottiano. Sie fanden Unterkunft in dem Gebäudekomplex, das wir heute Piccolo Castello nennen. Hier lebte die Familie Morra, die, inspiriert war durch den geistlichen Lehrer Carlo Caretto, der im nahegelegenen Spello lebte und dort ein Zentrum unterhielt. Sie kauften das Haus, um es Pilgern zur Verfügung zu stellen, die nach Assisi oder nach Spello kämen, um hier nach geistliche Nahrung zu suchen. Einige Zeit bewohnte eine Gemeinschaft der „Kleinen Brüder“ die Räumen, eine Ordensgemeinschaft, der auch Carlo Caretto angehörte.
Seit März 2023 ist das Haus in der Obhut von Solveig Thorwart und Damiano Nöthen. Beide leben mit ihren beiden Söhnen auf dem Bergbauernhof Terra Buona ganz in der Nähe. Ende 2016 übernahmen sie diesen Ort mit Olivenbäumen, Wald und einem Gemüsegarten, getragen von der Vision, Menschen zu Retreats in Stille und Achtsamkeit, mit gemeinsamer Arbeit, Meditation und ehrlichem Austausch einzuladen. Es zeigte sich aber mit den Jahren, dass das Familienleben, die Vielzahl der Aufgaben und die Raumsituation nur schwer mit den Vorstellungen eines Retreat-Zentrums zu vereinbaren waren, so dass sich das Konzept verändern musste. Dennoch blieb die Vision lebendig: Ein Zentrum für Menschen, die auf der Suche sind, ein Haus, in dem Seminare stattfinden können, ein Ort des Willkommens, wohin sich Menschen für eine Weile von den Alltagsgeschäften zurückziehen und ihre Verbindung mit dem Göttlichen, mit der Erde, mit sich selbst wiederfinden.
Auf wunderbaren Wegen bot sich das Castello von Nottiano als die Verwirklichung der Vision an, die bei Solveig und Damiano seit Jahrzehnten darauf wartet, in die Welt geboren zu werden. Jetzt hat sich das Tor geöffnet. Menschen sind eingeladen, in der Einfachheit dieses mittelalterlichen Gebäudes, umgeben von Natur und getragen von Stille einzukehren, innezuhalten und sich das Dasein im gegenwärtigen Moment zu genießen.
Das Piccolo Castello hat 6 Gästezimmer, mit jeweils 2 – 4 Schlafplätzen. Für Gäste im Retreat werden die Räume als Einzelzimmer belegt. Es steht eine große Küche zur Verfügung, die auf Wunsch mit Lebensmitteln ausgestattet wird. Zudem gibt es einen Meditationraum mit Holzboden, ein Seminarraum und eine Kappelle, die während der Zeit des Aufenthaltes genutzt werden können.
Verläßt man die festen Steinmauern des alten Gebäudes, empfängt den Menschen die umbrische Landschaft mit ihrer Schönheit. In der Ferne zeigen sich an klaren Tagen die hohen Gipfel der sibilinischen Berge, im Frühjahr noch mit Schnee bedeckt. Wanderwege führen bergan in die Höhen des Naturparks Monte Subasio und ganz in der Nähe locken idyllische Plätze in Wiesen und unter Bäumen zum Verweilen von Seele und Körper in der Sille der Welt.
Nach zwanzig Autominuten passiert man eines der Stadttore von Assisi. Die Stadt auf dem Hügel, schon zu Zeiten der Römer besiedelt, wovon noch steinerne Zeugnisse erzählen, hat ihre Berühmtheit durch Francesco Bernardone erhalten, dem „kleinen Armen“ wie ihn seine Zeitgossen zärtlich nannten. Er war wie eine Blüte, die in den rauen Tages des Mittelalters den Duft von Liebe zu den Kleinen und Armen verströmte. Er hatte den Mut, die Konventionen einer eng gestalteten Standesgesellschaft zu verlassen, um ganz seinem Traum von der Nähe zu Christus zu
folgen. Bis heute inspiriert er Menschen dazu, sich ihrer wahren Natur zu besinnen, sich dem Schöpfer hinzugeben und in den Geschöpfen die eigenen Schwestern und Brüder zu sehen. Ein Ausflug zu den Stätten seines Wirkens kann lohnend sein, dort ist sein Geist lebendig und spürbar von die Menschen, die sich für das Geheimnis öffnen.